“Was hältst du von einer mehr tägigen Autofahrt durch trockenes, steiniges und leeres Wüstengebiet?” hörte ich Phil fragen. Meine erste Reaktion war natürlich: “Ahm das hört sich nicht sehr spannend an. Gibts in Australien denn sonst nichts sehenswertes?”
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste waren zwei entscheidende Fakten:
1) Die Dimensionen des australischen Kontinents kann man sich schwer vorstellen, wenn man sich nicht in das Landesinnere wagt. Der sogenannte Outback (Hinterland), die riesige fast menschenleere Fläche, erstreckt sich in der Mitte des Landes. Dieses Niemandsland kommt einem unendlich vor! Doch es stellte sich heraus, dass der Outback nicht nur eine große Einöde ist, sondern ein Gebiet mit vielfältiger Flora und Fauna. Wenn man Glück hat sieht man Exemplare von Australieńs einzigartiger Tierwelt.
2) Wer Australiens Geschichte und Gesellschaft versuchen will zu verstehen, muss hinter die Kulissen der jüngsten Kolonialiserung schauen und sich mit der seit ca. 50 000 Jahren lebendigen Geschichte und Kultur der Aborigines, der Ureinwohner Australiens, auseinandersetzen. Im traditionellen Glauben ist der Bezug zu ihrem Land und der Natur das wichtigste Grundprinzip der Aborigines. Viele der Gemeinschaften leben heute im dünn besiedelten Zentrum des Landes, wo sie die traditionelle Lebensweise noch teilweise fortführen.
Das hört sich so an als wäre unsere Reise nach Australien nicht komplett, würden wir nicht auch das “Rote Zentrum” des Landes näher erkunden. Logistisch würde das hin und retour eine 6000 km Autofahrt bedeuten. Das hörte sich dann schon etwas heftig an. Vor allem wenn einem Google Maps für die Hinfahrt “32 Stunden” anzeigt. Aber wir waren bereit für unser nächstes Abenteuer “Mega Roadtrip” und so starteten wir mit voll getanktem Campervan, aussreichendem Reiseproviant, aufgefüllten Wasserflaschen und Audiobüchern los in Richtung Outback.
Schon nach einer kurzen Fahrt ins Landesinner von Sydney, wurde uns klar, dass die Gegend kaum bewohnt ist. Der Eindruck täuschte nicht. 80% der Australier leben innerhalb von 50km der Küste. Sobald man die Küstenregionen im Süden und Osten verlässt, findet man kaum befahrene Straßen und nur kleine Dörfer. Je weiter man in den Westen kommt, desto leerer und trockener wird die Umgebung.
Der Weg in den Outback war nicht schwer zu finden. Es gibt genau eine Hauptstraße die ins Rote Zentrum führt. Von Adelaide, der Hauptstadt des Bundesslandes South Australia, geht der Stuart Highway quer durchs Land, bis zum 3000 km enfernten Darwin, ganz im Norden. Darwin, und unser Ziel im Herzen des Outbacks, Uluru (der einheimische Name) oder Ayers Rock (der von britischen Kolonisten gegebene Name), liegen im Northern Territory. Das Bundesland hat nur 250 000 Einwohner bei einer Fläche von 1,3 km2. (Das ist größer als Peru oder Südafrika!) Das macht es zum am dünnsten besiedelten Bundesland. Man kann sich also die Menschenleere vorstellen.
Wer sich von der Hauptstraße wegbewegt und auf den vielen Sand-/Schotterstraßen den Outback erkundet, könnte wahrscheinlich mehre Tage herumfahren, ohne eine Menschenseele zu sehen. Ohne Allradantrieb waren wir mit unserem Campervan auf asphaltierte Straßen angewiesen. Aber uns kam auch die Fahrt auf der Hauptstraße vor, wie wenn wir im Niemandsland wären. Ungefähr alle 15-20 Minuten begegneten wir einem Auto, Campervan oder “Road-Train” – ein Lastwagen mit 3-4 Anhängern. Vor allem die “Graue Nomaden Brigade” war sehr present. So bezeichnen die Australier die in Caravans reisenden Senioren des Landes. Aber sonst gab es weit und breit kein Zeichen von menschlicher Besiedelung. Nur alle 150- 200 km fanden wir eine kleine Raststation, auch Roadhouse, genannt. Dort konnten wir Benzin auftanken und eine Klopause einlegen. Viele der Raststationen waren ursprünglich und sind noch heute Rinderfarmen, die nomadische Weidewirtschaft betreiben, oder kleine Siedlungen die noch vom früheren Minenbau in der Gegend übrig geblieben sind. Man würde glauben die Australier die hier leben, leben in Isolation und ganz abgeschnitten von der Außenwelt. Aber dank der Touristen, die im Outback ihren Unfug treiben, sind sie bestens informiert über allemöglichen Weltgeschehnisse. Und sie sind meist sehr gesprächige Persönlichkeiten. Kein Wunder, wenn man meist nur wenige soziale Kontakte hat.
Auf unserer Fahrt zwischen den “Wüstenoasen” sahen wir nicht nur karge und trockene Landschaften wie ich zuerst geglaubt hatte. Man findet hier einige Lebewesen, die in dieser harschen Umgebung gut zurecht kommen. Viele von ihnen sind nur in Australien zu finden. Känguruhs, Wallabies, Emus, verschiedene Eidechsen (z.B. Wüstenteufel siehe Foto), verschiedenste Vogelarten, Ameisen, Pferde, Kühe und Schafe. Die meisten dieser Tiere sahen wir lebendig, aber nieder gefahrene Känguruhs und Kühe am Straßenrand waren keine Seltenheit. Ich bin in dieser Hinsicht auch nicht total unschuldig. Wegen mir gibts ein Känguruh weniger in Australien. Aber immerhin hüpfen ca. 100 000 Millionen von ihnen noch lebendig auf diesem Kontinent herum 🙂
Endlich, nach einer 3-tägigen Autofahrt durch karges Flachland, konnten wir unseren Augen kaum glauben, als wir zum ersten mal Uluru – der rote Felsen, das Markenzeichen des australischen Outbacks – in der Ferne sahen. Nun wussten wir, die lange Fahrt war es Wert!
Uluru ist nicht nur ein Zuckerl fürs Auge, sondern auch ein geologisches Phänomen und eine wichtige und heilige Kulturstätte für die dort lebenden Aborigines, die Anangu. Die Anangu leben schon seit tausenden von Jahren in dieser Region und führten ursprünglich einen nomadischen Lebenstil und waren Jäger und Sammler. Man fragt sich warum oder wie jemand in so einer trockenen und kargen Gegend leben kann? Die Antwort dazu findet man wohl nur wenn man eine der Aborigines fragt. Auf unserer Wanderung rundum Uluru lernten wir Tjumpani, eine Anangu kennen, die für den Nationalpark arbeitet. Sie erklärte uns, dass sich die Lebensweise der Anangu, seit der Erschließung dieser Gegend durch zuerst Kolonialismus und dann Tourismus, stark verändert hat. Das Land rundum Uluru und Uluru selbst ist und war ihre Heimat. Doch als das Land in den Besitz der australischen Regierung kam, wurde die Gemeinschaft auf Reservate eingeschränkt. Anangu hatten keinen Zugang mehr zu den für sie wichtigen Wasserreservoirs, Höhlen und zeremoniellen Stätten am Felsen. Um sich auf Nahrungssuche zu machen, mussten sie weite Strecken zurücklegen. Tjumpani wusste bestens über “Bush Tucker”, die verschiedenen essbaren Früchte (Beeren, Feigen) und Insekten (Maden, Honigameisen) die in dieser trockenen Gegend wachsen und leben, bescheid. Sie lernte das Sammeln von Früchten und Pflanzen und deren Zubereitung von ihren Großeltern, Eltern und anderen Verwandten. Noch heute lernen die Kinder wie man auf eigene Faust im Busch überlebt. Heutzutage legt man den Weg zu den fruchtbaresten Stellen nicht zu Fuß sondern mit dem Auto zurück. Es ist immer eine Gruppenaktivität. Einer bringt das Auto, der ander das Benzingeld, und der andere die Bestellliste für die Verwandten die zu Hause bleiben. Zu den modernen Hilfsmittel sagt man natürlich nicht nein!
Tjumpani versicherte uns, dass die Situation der Anangu sich seit 1985 verbessert hat. Die australische Regierung hat das Land rundum Uluru an die Anangu zurückgegeben. Die Anangu haben dann das Land an die australische Regierung für 99 Jahre verpachtet. Seit über 30 Jahren sind Uluru und Kata-Tjuta (eine weitere einzigartige Felsformation) und das Land rundherum ein Nationalpark, der gemeinsam von Aborigines und der Regierung gemanagt wird. Die Anangu haben jetzt eine Stimme und können ihre heiligen Stätten am Felsen schützen und gleichzeitig für Besucher beschränkt zugänglich machen. Die Anangu freuen sich über Touristen und Besucher, die sich für ihre Geschichte und Kultur interessieren. Doch es gibt eine Touristenattraktion die ihnen ein Dorn im Auge ist: Der Klettersteig auf der Westseite des Felsens. Auch wenn die Zahl in den letzten Jahren stark zurück gegangen ist, klettern Touristen immer noch auf den Felsen. Und das obwohl es überall Schilder gibt, die in mehreren Sprachen erklären, den Felsen bitte nicht zu besteigen, da es nach dem Glauben der Anangu eine heilige Stätte ist.
Die Kultur der Aborigines verkörpert eine der ältesten kontinuierlichen Traditionen der Welt (ca. 50 000 Jahre). Die meisten der ursprünglich mehr als 250 Sprachen gibt es leider nicht mehr. Von den 120 heute noch gesprochenen Sprachen, sind nur 14 noch gängig. Eine Tradition, die sich aber über tausende von Jahren erhalten hat, ist deren Kunst und vor allem die Höhlenbemalungen. Wir konnten einige davon am Uluru Felsen bestaunen. Es sind keine Schriften oder Hyroglyphen, sondern Zeichnungen die mit dem täglichen Leben zu tun haben. Symbole die Tierspuren, Wasserlöcher, Nahrung, Feuerstellen etc. darstellen. Die Bemalungen wurden wie eine Schultafel verwendet, um Kindern wichtige Aspekte des Lebens beizubringen. Die Farben werden aus der Natur gewonnen.
Heute kann man diese uralte Kunst nicht nur auf Höhlenwänden bewundern. Die Kunst wird weitergeführt, meistens von einheimischen Frauen, auf Leinwänden, aus Holz geschnitzten Schüsseln oder Boomerangs. Die Materialien haben sich verändert, aber die Symbole im Zusammenhang mit der Natur sind gleich geblieben. In Alice Springs, der zweitgrößten Stadt des Northern Territory mit ca. 30 000 Einwohnern, kann man viele dieser Kunstwerke in den unzähligen Gallerien bestaunen. Da konnte ich es auch nicht lassen, eines, ok zwei, dieser Gemälde zu kaufen 🙂
Comments
1 CommentKaren
Jun 11, 2017Wunderbar! Und… trinkwasser auftanken! Hihii ☺️